Großer Fisch im kleinen Teich

War Vincenzo Nibalis Sieg beim Giro d’Italia die letzte Blüte eines großen Talents oder eine Erinnerung daran, dass die ältere Generation noch nicht bereit ist abzutreten?

 

169 Jahre nach der Geburt der italienischen National-hymne in Turin stimmte an einem Sonntagnachmittag im Mai 2016 eine Menschenmenge auf einer Straße in derselben Stadt spontan die „Fratelli d’Italia“ (Brüder Italiens) an. Seltsamerweise hatte sich die Sängerschar um eine riesige Flagge einer anderen Nation versammelt – Kasachstan. Vincenzo Nibali, der Sieger der 99. Austragung des Giro d’Italia, war gerade aus seinem Astana-Mannschaftsbus geklettert, stand auf dem Asphalt und strahlte die dicht gedrängt stehenden Menschen an. In dem Moment ertönten die Worte und die Musik: „Fratelli d’Italia, l’Italia s’è desta …“ Einen Tag zuvor hatte Nibali sich das Spitzenreitertrikot und eine unangreifbare Position gesichert – zum ersten Mal, seit der Giro Holland drei Wochen zuvor verlassen hatte. Zwei Tage zuvor hatte er mausetot ausgesehen, ein Favorit und Lokalmatador, der unter der Last seines Rufes und vergangener Errungenschaften nachgab. In diversen Klagen und Erklärungsversuchen – die ebenso an sich selbst wie an seine Fans gerichtet waren – hatte Nibali Wörter verwendet, die früher nicht zu seinem Vokabular gehörten: „Druck“, „Erwartungen“, „Stress“. Sein Trainer Paolo Slongo murrte, dass Nibali eine Empfindlichkeit an den Tag lege, die bisher nur seinen engsten Vertrauten bekannt war. „Wenn er eine Million nette Dinge hört, aber ein Mensch in der Menge etwas Negatives ruft, dann bleibt das bei ihm hängen und ärgert ihn“, sagte Slongo. Es war eine andere Geschichte gewesen, als Nibali seine letzte große Rundfahrt gewonnen hatte: die Tour de France 2014. Dort stand er unter einer anderen Art von mentalem Druck, aber der schien ihm nichts anhaben zu können. Mit Abstand der stärkste Fahrer in einem bescheidenen Feld, das durch den frühen Ausstieg von Chris Froome und Alberto Contador sowie das Fehlen von Nairo Quintana geschwächt war, provozierte der Italiener mit seiner Überlegenheit Fragen nach seiner Glaubwürdigkeit, der seines kasachischen Teams und der dunklen, nicht allzu fernen Vergangenheit der Tour. Bei keiner Gelegenheit wirkte Nibali so durch den Wind wie bei diesem Giro, weder auf noch abseits der Straße. In Pinerolo, nach der 18. Etappe, war Nibali Vierter der Gesamtwertung mit 4:43 Minuten Rückstand auf den immer sicherer wirkenden Spitzenreiter Steven Kruijswijk. Nibali sollte am nächsten Tag in Risoul die erste von zwei Mammutetappen in den Alpen gewinnen, bevor er in Sant’Anna di Vinadio mit Esteban Chaves seinen nächsten Rivalen ausschaltete. In Turin konnte er endlich lächeln, mit seinen Fratelli d’Italia mitsingen und sich für Fragen wappnen, wie er einen Giro gedreht hatte, der fast drei Wochen lang auf ein Desaster zuzusteuern schien.

Die Herzen und Köpfe gewinnen
Die vielleicht belastendsten aller Gerüchte um Nibali sind die, die ihn mit dem skandalumwitterten Sportarzt Michele Ferrari in Verbindung bringen. Diese kursierten wieder gegen Ende des Giro, obwohl es keine Beweise zu geben schien. Aufgekommen waren die Gerüchte erstmals, als der „Amore e Vita“-Eigentümer und selbst ernannte Anti-Doping-Aktivist Ivano Fanini behauptete, er habe Nibali 2009 bei St. Moritz hinter Ferraris Moped trainieren sehen. Später nahm Fanini die Anschuldigungen zurück, als Nibali ein nachdrückliches Dementi veröffentlichte und mit rechtlichen Schritten drohte. Es gab erneut Spekulationen, die wieder entkräftet wurden, als Nibali die Tour 2014 dominierte. Kurze Zeit später erhielten Journalisten Kopien des 550-Seiten-Dossiers, das ein Staatsanwalt in Padua zusammengestellt hatte, der bis 2012 mehrere Jahre gegen Ferrari ermittelt hatte. Die Namen mehrerer Teamkollegen von Nibali aus seiner Zeit bei Liquigas tauchten in den Akten ebenso auf wie Astana-Teammanager Alexander Winokurow, aber Nibali wurde nicht genannt. Slongo, Nibalis Trainer, wird auf Seite 19 der 550 Seiten erwähnt: Er soll Kontakt mit Ferrari gehabt haben, aber die Verbindung wird nirgendwo erklärt oder noch mal erwähnt. Slongo klagte gegen zwei Journalisten der Repubblica, die unter Berufung auf das Dossier geschrieben hatten, dass Slongo in „regelmäßigem Kontakt“ mit Ferrari gestanden habe. Auch Ferrari machte sich über die Behauptung lustig und schrieb auf seinem Blog „53×12“, dass er und Slongo sich in der Tat oft persönlich im Parador-Hotel auf dem Teide getroffen hätten, wo Ferraris Klienten plus Dutzende andere Fahrer, darunter Nibali, im Höhentrainingslager waren – „jeden Morgen am Frühstücksbuffet mit der Frage: ‚Was ist besser, Rührei mit Speck oder Müsli mit Joghurt?‘“ Nach dem diesjährigen Giro überlegte Ferrari auf der gleichen Plattform, ob Nibalis Umstieg auf längere Kurbelarme zu Beginn der Saison – und die Entscheidung, zwei Tage vor dem Ende des Giro auf Anraten seines Vaters wieder auf die kürzeren umzusteigen – sein bemerkenswertes Come-back in Italien erklären könnten. Und wie immer bei Ferrari beeilten sich die Neugierigen und Konspirativen, die unterschwelligen Botschaften zu entziffern, die doppelten und dreifachen Irreführungen in seiner Analyse eines Rennens, dessen „technisches Niveau“ nach den Worten des Mediziners „nicht sehr hoch“ war. Die Zahlenfreaks waren sich weitgehend einig: Beim Giro gab es hohe, aber keine Höchstleistungen, wie das Starterfeld bereits nahelegte. Insgeheim hatte das Team Sky geglaubt, dass sich Mikel Landa gegen Nibali behauptet oder sogar locker durchgesetzt hätte, wäre er in der Toskana nicht erkrankt ausgestiegen. Steven Kruijswijk versicherte, seine Wattzahlen seien nicht höher als 2015 gewesen, was den Schluss zuließ, dass die Konkurrenz deutlich schwächer war (er hatte 2015 auf den meisten Bergetappen zu den vier oder fünf besten Kletterern gehört und war Gesamt-Siebter geworden). Und so sehr Esteban Chaves das Publikum verzauberte, lässt sich darüber streiten, ob sein zweiter Platz der definitive Beweis für seine Ankunft im Königshaus der großen Rundfahrten war. Was Chaves auf jeden Fall gewann, waren die Herzen. Er und sein Orica-GreenEdge-Sportdirektor Matt White sind jetzt schon das charmanteste Soldat-General-Duo im Radsport. Chaves hat hier und bei der letztjährigen Vuelta gezeigt, dass man bei einer Grand Tour auf Sieg fahren und gleichzeitig Spaß haben und ausstrahlen kann. Zu Beginn seiner Karriere oft als zu leicht und zerbrechlich wahrgenommen, belohnt er Orica nun für das Vertrauen, die langfristige Planung und auch die Reha-Maßnahmen nach seinem fürchterlichem Sturz bei der Trofeo Laigueglia 2013, die sie in ihn investierten, noch bevor er zu Beginn der Saison 2014 zum Team kam. Mit White, der Verkörperung des spontanen und zupackenden Australiers, hat Chaves offenbar die richtige Mischung aus Know-how, Atmosphäre und Improvisation gefunden, um aufzublühen. Die, die den Kolumbianer kennen, sagen, dass sich hinter seinem strahlenden Lächeln eine absolute Entschlossenheit verbirgt; ihm mag die coole Abgeklärtheit seines Landsmanns Nairo Quintana und vielleicht auch ein kleiner Teil des Talents des Movistar-Ausnahmefahrers fehlen, aber Chaves hat in seiner Karriere schon zahllose Male bewiesen, dass der äußere Eindruck täuschen kann. Kaum hatte er in Corvara seinen Sieg bejubelt, kritisierte er auch schon die Regierung seiner Heimatstadt Bogotá dafür, dass sie kein Geld für eine Etappe der Vuelta a Colombia ausgeben wollte.
 
Hoch hinaus
Während Chaves’ Domestiken, vor allem Damian Howson und Rubén Plaza, ihn mehr als einmal retteten, musste Kruijswijk für die mangelnde Unterstützung seines LottoNL – Jumbo-Teams schließlich zahlen. Er fuhr auf der 18. Etappe nach Pinerolo aggressiv, mit Verve. Aber er griff an dem Tag nicht zuletzt deswegen an, um Nibali und Valverde aus ihrem jeweiligen Kokon herauszulocken und zum direkten Kampf zu zwingen. Kruijswijk glaubte, dass der Guerillakrieg einer war, den er gewinnen konnte. Aber als sein Tritt hoch oben auf dem Colle dell’Agnello kurz vor seinem fatalen Sturz in der Abfahrt unregelmäßiger wurde, fragte man sich, ob Kruijswijk sich nicht zu sehr angestrengt hatte, verbrannte Erde zu hinterlassen. Kruijswijk kostete seine Unerfahrenheit mindestens ebenso viel wie die Dürftigkeit seines Teams in den Bergen. Natürlich sind die Friedhöfe, wie man in Italien sagt, voller später Einsichten. Zufälligerweise hatte Kruijswijk durch seinen Sturz auf dem Agnello auch seine Siegchancen begraben. Am folgenden Nachmittag rollte er über die Ziellinie am Santuario di Sant’ Anna und kollabierte auf dem Asphalt, nachdem er mit einem schmerzhaften Rippenbruch gefahren war. Er lag in der Gesamtwertung jetzt 1:50 hinter Nibali zurück. Als er wieder aufstand, sparte sich Kruijswijk die ermüdende Debatte, ob der Italiener, Chaves oder Valverde nach seinem Sturz am Vortag hätten warten sollen. Stattdessen sagte er den Reportern, dass „auf dem Rad zu bleiben auch Teil des Rennens ist“. Nach dem nächsten Luftholen gab Kruijswijk auch zu, mit fast 29 Jahren vielleicht nie eine bessere Chance zu bekommen, eine große Rundfahrt zu gewinnen. Da war es ein schwacher Trost, dass Kruijswijk in den vorangegangenen drei Wochen eine immense Klasse auf und abseits der Straße gezeigt hatte und man sich fragen konnte, ob sein Team in den letzten Jahren bei den großen Rundfahrten auf das falsche Pferd gesetzt habe. Die Holländer haben seit Joop Zoetemelks Toursieg 1980 keine große Rundfahrt mehr gewonnen, aber diese hatte zumindest mit einem einheimischen Triumph begonnen. Tom Dumoulin war das rosa Sahnehäubchen auf einem üppig verzierten Kuchen – eine Grande Partenza in Apeldoorn, die so fröhlich, populär und lukrativ war, dass die RCS bestimmt schon weiß, dass die nächstjährige 100. Austragung des Giro mit einem relativen Gegensatz, wahrscheinlich in Sardinien, beginnen wird. Als Dumoulin ausstieg und eine Entzündung am Gesäß als Grund nannte (sich aber, laut Peloton-Flurfunk, wohl mehr Sorgen um seine Olympia-Vorbereitung machte), steigerte sich Vegnis Symphonie für 2016 zu einem Crescendo. Eine sehenswerte, aber undramatische erste Woche endete mit einem sowohl visuellen als auch taktischen Glanzstück von einer Etappe, die ihren Höhepunkt im Schotteranstieg der Alpe di Poti und Finale in Arezzo hatte. Woche zwei lieferte dann zwei der drei „Media montagna“-Etappen, deren große Vorzüge die Grand-Tour-Organisatoren schließlich erkannt haben. Auch hier summte das Rennen vor Spannung und Erwartung, sprudelte vor Angriffslust und Vorstellungskraft. Aber das wird eine weitere wichtige Figur bei großen Rundfahrten, sowohl aus Sicht der Fahrer als auch der Organisatoren – ein Kompromiss, den wir in Italien, Frankreich und Spanien sehen: für eine Dramaturgie, die ihre packendsten Drehungen und Wendungen am oder kurz vor dem letzten Wochenende bietet. Vegni und Nibali erreichten beide ihr Ziel, aber es war ein nervöser Drahtseilakt. Dass der Giro in einer einzigen Auflage zehnmal über 2.000 Meter hinausgeführt hatte, war zuvor nur einmal vorgekommen – 1994. Weder Tour noch Vuelta waren je so häufig so hoch oben. Diese Gratwanderung in diesem Jahr zu wiederholen, wo der Giro im Kalender jetzt eine Woche nach vorn gerückt ist und das Frühjahrswetter in Italien zunehmend unvorhersehbar ist, schien ein unnötiges Risiko und eine Herausforderung des Schicksals zu sein. Am Ende kam Vegni damit durch. Auch Nibali wird es den Wettergöttern gedankt haben, dass sie ihm nach seinem schneeverwehten Triumph 2013 einen weiteren Giro-Sieg unter solch widrigen Bedingungen erspart haben. Vor allem hätten Streckenänderungen oder Absagen dazu führen können, dass er zwar die verjüngten Beine gehabt hätte, um Kruijswijk zu schlagen, ihm aber die Straße ausgegangen wäre. Wie sich herausstellte, brauchte Astana nichts besonders Neuartiges oder Cleveres zu machen, um eine vermeintlich mirakulöse Wiederauferstehung hinzulegen. Die Taktik, Fahrer vorauszuschicken, um später in den Bergen als Sherpa zu fungieren, ist so alt wie die Hügel, in denen Nibali Kruijswijk zu einem Fehler und Chaves zum Rückzug zwang. Aber trotzdem leisteten Michele Scarponi und Tanel Kangert auf den Etappen nach Risoul und Sant’Anna di Vinadio hervorragende Arbeit. Nichts davon hätte eine Rolle gespielt, wenn sich das Kräfteverhältnis nicht zugunsten von Nibali verschoben hätte, als das Rennen die Alpen erreichte. Erklärungen deckten das ganze Spektrum ab, vom Harmlosen bis hin zum Spekulativen und Skandalösen. Astana sagte in der letzten Woche, man lasse ihn testen und auf einen Virus untersuchen. Nibali ließ zudem seinen persönlichen Akupunkteur, Eddy de Smedt, aus Belgien einfliegen. Die Tests waren negativ. Er stellte wieder auf seine alten 172,5-Millimeter-Kurbelarme um. Dann sollte er am letzten Abend in Turin sagen, dass er Magenprobleme gehabt habe, aber nicht darüber habe sprechen wollen, um seinen Rivalen keinen psychologischen Vorteil zu geben. Die Entscheidung, den Gesundheitscheck in der letzten Woche zu veröffentlichen, wirkte daher etwas kontraproduktiv.

 

Junge Talente
Die unbestreitbare Tatsache im eiskalten Rückblick war, dass Nibalis „Auferstehung à la Lazarus“ weitgehend falsch dargestellt worden war. Er sagte es selbst auf seiner letzten Pressekonferenz in Turin: „Die anderen wurden schwächer.“ Insbesondere stürzte Kruijswijk, während Chaves ermüdete und am letzten Wochenende unter einer Atemwegserkrankung litt. Valverde war bereits einer alten Allergie erlegen: gegen das Hochgebirge. Nibalis Zeiten in den Bergen und Wattzahlen boten ein noch schärferes Bild: Seine Verbesserungen waren geringfügig gewesen und seine Leistungen am letzten Wochenende reichten nicht ganz an das heran, was er bei der Tour de France 2014 abgeliefert hatte und was Contador, Froome und Quintana im Juli in den Alpen und Pyrenäen produzieren werden. So schien es selbst im Abendglanz der Siegerehrung in Turin unwahrscheinlich, dass Nibali bei der Tour nach dem Gelben Trikot würde greifen können – und sogar möglich, dass der 31-Jährige vielleicht gerade zum letzten Mal ein dreiwöchiges Rennen gewonnen hatte. Am Nachmittag zuvor in Sant’Anna di Vinadio hatten „Nibali, Nibali!“-Anfeuerungsrufe von seinem alten Fanclub, den „Cannibali“, die Lautsprecher übertönt, als er auf der Kuppe der letzten Rampe auftauchte. Anführer des Chors war ein kleiner, grauhaariger Mann mit warmem Lächeln und melodischem toskanischen Akzent: Carlo Franceschi. Franceschi ist Nibalis „zweiter Vater“ – um die Definition des Fahrers zu verwenden – und der Mann, der Nibali ein Juniorenteam und ein Zuhause gab, als er vor 15 Jahren von Sizilien in den Norden zog. Fran-ceschi glaubt – und sagte an dem Nachmittag –, dass Nibali noch fünf Jahre große Rundfahrten bestreiten kann und will, bis Mitte 30. Persönliche Vorlieben und Sentimentalitäten beiseite, würden die meisten anerkennen, dass Nibalis künftiger Palmarès nicht nur von ihm abhängen wird. Er rangiert jetzt an sechster Stelle in der Bestenliste der Fahrer, die Podestplätze bei allen drei Landesrundfahrten errungen haben, er steht bei acht (Eddy Merckx führt mit 13). Fausto Coppi, Alfredo Binda, Gino Bartali und Felice Gimondi sind die einzigen italienischen Fahrer, die mehr große Rundfahrten gewonnen haben. Gimondi ist der einzige andere Italiener, der die Dreifachkrone aus Giro, Tour und Vuelta erobert hat. Trotzdem war Nibalis Überlegenheit generell gering; sein Status in einer neuen Weltordnung mit Quintana, Chaves, Aru und – noch zwei Jahre – Froome und Contador dürfte in den kommenden Monaten und Jahren nachlassen. Ein Wechsel zu einem ganz neuen Team, dem an die große Glocke gehängten, aber immer noch sehr unkonkreten Bahrain-Projekt, könnte alles noch komplizierter machen. Aber ihn abzuschreiben würde auch heißen, seine außergewöhnliche Robustheit zu unterschätzen. Schließlich ist er ein Fahrer, der jede Grand Tour beendet hat, bei der er nicht disqualifiziert wurde, und bei seinen letzten zwölf in die Top Ten kam. Andere Vorboten für künftige große Rundfahrten kamen lange, bevor das diesjährige Rennen die Berge erreichte. Bob Jungels hatte beim Start in Holland noch großen Respekt vor seinem ersten Einsatz im Sprintzug von Marcel Kittel; im Laufe des Rennens sollte er drei Tage das Rosa Trikot und 18 Tage lang das Weiße tragen, bevor er Sechster der Gesamtwertung wurde. Sein Etixx-Sportdirektor Davide Bramati rieb sich in den letzten zwei Wochen die Hände und sagte, was alle sehen konnten: „Bob hat das Zeug dazu, ein Star bei den großen Rundfahrten zu werden.“ Derweil dürften sich Jungels’ frühere Chefs bei Trek immer noch ärgern, dass sie den 23 Jahre alten Fahrer im letzten Herbst ziehen ließen. Jungels holte die maglia rosa in Sestola, als ein anderer talentierter junger Fahrer, Giulio Ciccone, als drittjüngster Italiener aller Zeiten eine Giro-Etappe gewann. Neben Nibalis Gesamtsieg war es eine hübsche Ausbeute für die gastgebende Nation; Diego Ulissi, Gianluca Brambilla und Matteo Trentin bestätigten, dass sie zur Crème der jungen Italiener gehören, und hauchten der erloschenen Liebe des Bel Paese zum Giro neues Leben ein. Die 3,5 Millionen Fernsehzuschauer, die bei der vorletzten Etappe einschalteten, sprachen auch dafür, dass die corsa rosa endlich einen neuen Platz in den Herzen der Italiener gefunden hat – nach Jahren im Schatten von Marco Pantanis Grabstein. Selbst wenn die Zuschauerzahlen an der Straße bescheiden waren, war es immerhin herzerfrischend, auf jeder Etappe Schulkinder zu sehen – das Resultat einer erfolgreichen Kampagne vom Organisator RCS. Jung und alt, die Italiener verabschiedeten den 99. Giro d’Italia mit ihrer A-Cappella-Ode an ihre „Brüder“ aus Sizilien. Alles dargeboten und gefeiert vor der kasachischen Flagge.



Cover Procycling Ausgabe 150

Den vollständingen Artikel finden Sie in Procycling Ausgabe 150.

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