Türkei-Erlebnisse

Der Sprinter berichtet über seine Erfahrungen am Bosporus

 

Für mich gab es im letzten Monat vor allem zwei Prioritäten: Regeneration von den Klassikern und im Anschluss die Rückkehr in den Rennzirkus. Nach einem kurzen Urlaub mit meiner Familie in Portugal startete ich dazu bei der Türkei-Rundfahrt. Ich war überrascht, wie gut es nach der kleinen Auszeit wieder lief: Zwei Etappensiege, dazu wurde ich einmal Zweiter, einmal Dritter und gewann das Sprint-Trikot. Von meiner Topform bin ich zwar noch weit entfernt, trotzdem stimmt mich die Rundfahrt sehr optimistisch – insbesondere in Hinblick auf die Tour de France im Juli.

Aber von Anfang an: Gerade einmal drei Tage Vorbereitung blieben mir nach den Ferien, ehe es nach Alanya ging, wo die ersten beiden Tagesabschnitte der Presidential Tour of Turkey, wie das achttägige Rennen mit vollem Namen heißt, stattfanden. Bereits beim ersten Finale hätte ich dabei fast einen Grund zum Jubeln gehabt: Ich landete auf dem zweiten Platz hinter Marcel Kittel. Wäre ich am Ende nicht kurz eingeklemmt gewesen, hätte es sogar zum Sieg reichen können. Aber ich war zufrieden – auch wenn ich doch als der erste Verlierer dastand. Auf der folgenden Etappe fehlte mir dann wieder das entscheidende Quäntchen Glück: Ein Massensturz auf dem letzten Kilometer verursachte ein echtes Chaos auf der Zielgeraden in Antalya. Ich konnte zwar – im Gegensatz zu vielen meiner Kollegen, denen ich hiermit gute Besserung wünsche – ohne Blessuren und Sturz durchkommen, doch mit einem Sieg wurde es wieder nichts. Den holte sich der Litauer Aidis Kruopis. Für mich blieb aufgrund der Zeitbonifikationen aber das Trikot des Gesamtführenden – auch ein schönes Erfolgserlebnis!

Nachdem am folgenden Tag die Bergfahrer das Rennen bestimmten, waren wir Sprinter auf den nächsten beiden Abschnitten wieder am Zug. Und dieses Mal klappte alles perfekt: Nachdem ich mich auf der vierten Etappe vor Nikias Arndt durchsetzen konnte, holte ich mir am Folgetag meinen zweiten Erfolg. Im Vorfeld der Rundfahrt hatte ich mir einen Etappensieg vorgenommen – im Ziel in Istanbul hatte ich letztlich diese zwei ersten Plätze zu Buche stehen. Meine Bilanz fällt also entsprechend positiv aus – vor allem, da wir in der Türkei ohne unseren Sprintzug antraten. Wenn wieder alle Jungs dabei sind, werden wir noch stärker aussehen.
 
Doch nicht alles bei dieser Türkei-Rundfahrt rief gute Emotionen in mir hervor. So hatte ich beim Betrachten der Ergebnislisten ein Déjà-vu-Erlebnis zur letzten Saison: Im vergangenen Jahr noch war der unbekannte Türke Mustafa Sayar mit 1 Stunde und 40 Minuten Rückstand auf den Gesamtsieger Drittletzter geworden, in diesem Jahr fuhr er wie ausgewechselt, dominierte am Berg und gewann das Rennen. Dazu sahen wir eine ganz starke türkische Mannschaft. Als 2012 der relativ unbekannte Bulgare Ivailo Gabrovski die Gesamtwertung für sich entschieden hatte, wurde er im Anschluss positiv getestet. Ich möchte hier wirklich keine voreiligen Schlüsse ziehen, hoffe aber inständig, dass da alles mit rechten Dingen zuging. Ein weiterer positiver Befund wäre das letzte, was der Radsport und die Türkei-Rundfahrt gebrauchen könnten – vor allem, da das Rennen von Jahr zu Jahr professioneller wird und mittlerweile sehr gut organisiert ist.

Ich selbst werde mich nun weiter auf meinen Formaufbau in Richtung Tour de France konzentrieren. Nach Rund um den Finanzplatz Eschborn-Frankfurt am 1. Mai starte ich am 12. Mai mit der Nationalmannschaft bei Rund um Köln, ehe ab 22. Mai die Belgien-Rundfahrt auf dem Programm steht. Ich werde den Mai dabei vor allem dazu nutzen, wieder an meinen Sprintfähigkeiten zu arbeiten. Aber natürlich bin ich nicht abgeneigt, wenn der eine oder andere Erfolg herausspringt. Bis zum nächsten Mal!
 
André Greipel ist seit 2005 als Berufsfahrer im Peloton unterwegs und zählt zu den schnellsten Sprintern der Welt. Seit 2011 trägt der Rostocker das Trikot der belgischen Lotto-Belisol-Mannschaft.
 


Cover Procycling Ausgabe 112

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