Brian Cookson

Im September 2013 wurde zum neuen UCI-Präsidenten gewählt. Er war angetreten, um für „Glaubwürdigkeit und Erneuerung“ in einer Organisation zu sorgen, die ihren Kredit bei vielen Akteuren im Radsport und darüber hinaus verspielt hatte. Gut ein Jahr später gab er im Gespräch mit Procycling in Manchester zu, dass die Wiederherstellung des Vertrauens eine schwerere Aufgabe ist, als er geglaubt hat. Während seine Reformpläne für 2017 auf Widerstand stoßen, ziehen wir Bilanz über die bisherigen Fortschritte.

 

Das Verhältnis zu den Anti-Doping-Behörden
Cookson sagt: „Man braucht kein sehr gutes Gedächtnis zu haben, um sich daran zu erinnern, dass die UCI und die WADA [Welt-Anti-Doping-Agentur] praktisch einen Krieg gegeneinander führten. Die WADA hat der UCI fast keinen Glauben geschenkt. Ich habe seinerzeit als Erstes den WADA-Präsidenten kontaktiert und gesagt: Schauen Sie, wir haben eine neue Führungsriege, wir müssen zusammenarbeiten und wir müssen beide die Probleme der Vergangenheit überwinden und Sie müssen uns dabei helfen.“
 
Fortschritt: Die Arbeitsbeziehungen scheinen in den meisten Bereichen repariert zu sein. Die vergiftete Atmosphäre, in der der frühere WADA-Präsident John Fahey die UCI öffentlich als „arrogant“ und „betrügerisch“ bezeichnete, ist Vergangenheit. Heute arbeitet man in der Praxis ruhiger und kollegialer zusammen. Dafür gesorgt haben persönliche Beziehungen und zahlreiche neue Leute bei der UCI. Cookson arbeitete mit dem heutigen WADA-Präsidenten Craig Reedie zusammen, als dieser Chef des Britischen Olympischen Komitees (BOA) war und Cookson den Radsport in dem Komitee vertrat. Die WADA half der UCI bei der Einrichtung der „Unabhängigen Radsport-Reformkommission“ (CIRC). Diese hat auch Verbindungen zum CAS: Ein Mitglied der Reformkommission, Ulrich Haas, ist als Richter für den internationalen Sportgerichtshof tätig.
 
Die Reform des Elite-Rennkalenders
Cookson sagt: „Alle sind sich einig, was die Probleme sind – wir haben viel zu viele Renntage, zu viele Überschneidungen, eine inkonsequente Geschichte und so weiter. Es wäre einfacher, die von allen für notwendig erachteten Veränderungen einzuführen, wenn wir keine drei dreiwöchigen Landesrundfahrten hätten. Ich gebe jedoch zu, dass diese drei großen Rundfahrten jeweils ihr eigenes Interesse daran haben, ihre Position zu verteidigen. Trotzdem bin ich optimistisch, dass wir eine à bloc Lösung finden, die dem, was wir uns vorstellen, näher kommt.“
 
Fortschritt: 2017 will die UCI die Anzahl von Renntagen in der Elite auf 120 zusammenstreichen; im Vergleich dazu gab es in diesem Jahr 154 Tage WorldTour-Rennen. Der Haken ist, dass die UCI einige Probleme hat, die Organisatoren zu überreden, ihre Rennen zu kürzen oder herabstufen zu lassen – wie nicht anders zu erwarten war. Ein Insider der Vereinigung internationaler Radsportveranstalter (AIOCC) sagte, der Fortschritt sei in der Tat schleppend, da die Eigentümer der Rennen nicht zurückstecken wollen. Das wurde im August bekannt, als der Direktor der Vuelta a España, Javier Guillén, betonte, jede Verkürzung der spanischen Landesrundfahrt abzulehnen. Doch Cookson könnte die Sache bald forcieren: „Wir nähern uns einem Punkt, wo wir sagen müssen: Hier stehen wir, und das wird passieren. Das sind unsere endgültigen Beschlussvorlagen.“ Der Grund? Cookson will die Vorschläge wahrscheinlich auf dem WorldTour-Gipfel im Dezember präsentieren.
 
Die finanzielle Sicherheit der Teams
Cookson sagt: „Niemand macht mit dem Sponsoring von Teams Geld. Hier müssen wir eine Art finden – um ein schreckliches Wort zu verwenden –, den Profiradsport effektiver zu Geld zu machen, ihn für die Teams finanziell nachhaltiger zu machen. Neue Technologie kann ihnen dabei helfen. Wir wollen alle, dass man Radsport so weit wie möglich kostenlos anschauen und genießen kann, aber lassen Sie mich die Flandern-Rundfahrt als Beispiel nennen. Da musste etwas geändert werden, um mehr Geld für die Veranstaltungspromotion einzunehmen. Dazu gehörte eine Änderung der Strecke. [2012 führte der Organisator Flanders Classics am Kwaremont Bereiche ein, für die man Eintritt zahlen musste.] Das passte den Puristen nicht, und ich kann verstehen, warum, aber diese Leute zahlen Geld, um dieses Rennen zu ermöglichen. Fernsehrechte gehören auch dazu.“
 
Fortschritt: Die Rennställe hängen immer von der wirtschaftlichen Großwetterlage ab. Die Glücklichen haben ein erfolgreiches Unternehmen oder einen reichen Privatmann als Sponsor. Die Unglücklichen leben von der Hand in den Mund und suchen fast jährlich nach neuen Geldgebern. Die Teams beschweren sich seit Langem, dass sie von den Einnahmen aus den Fernsehrechten nichts abbekommen, und das will Cookson ändern, obwohl daraus erst einmal nichts werden dürfte. 2013 hat die Europäische Rundfunkunion (EBU), zu der unter anderem die italienische RAI und die britische ITV gehören, einen Vertrag mit der ASO abgeschlossen und sich die Übertragungsrechte für die Tour und andere ASO-Rennen bis 2019 gesichert. Außerdem hat die ASO Verträge mit der SBS in Australien bis 2022 und der NBC in Amerika bis 2023. Da sind Technologie und Ticketverkäufe mittelfristig vielversprechender: Die UCI hat in diesem Jahr bei einer Reihe von Rennen On-Bike-Kameras und bei der Weltmeisterschaft erstmals Echtzeit-Ortungstechnik zugelassen. Wenn die Teams das Recht haben, diese Daten und Aufnahmen – oder was auch immer von den SRM-Wattmessgeräten der Fahrer abgelesen und gesendet werden kann – zu verkaufen, könnten sie Geld damit machen. Auf die Frage, ob für bestimmte Abschnitte des Giro oder der Tour Eintritt verlangt werden könnte, sagte Cookson: „Ich glaube, das möchte niemand, aber ich denke, es ist fair, wenn der Konsument etwas dazu beiträgt, diesen Sport aufrechtzuerhalten. Bei der Weltmeisterschaft in Ponferrada kündigte Cookson an, dass die UCI ein unabhängiges Schiedsgericht für prominente Dopingfälle plant, um die Entscheidungen nicht den nationalen Verbänden zu überlassen. Er sagte weiter, der Vorschlag werde von vielen Seiten begrüßt, verhindere Interessenskonflikte bei den nationalen Verbänden und verringere die Zahl der Berufungen, die derzeit beim CAS landen.

 

Die Bestrafung von Dopern 
Cookson sagt: „Wir müssen darauf achten, dass wir keine Probleme bei den nationalen Verbänden verursachen. Einige Länder haben sehr gute Anti-Doping-Agenturen, so wie wir hier in Großbritannien. Sie sind es gewohnt, die Hoheit über ihre Dopingfälle zu haben, und müssen sich darauf verlassen können, dass unser unabhängiges Tribunal mit diesen Fällen angemessen umgeht. Wir sind vorsichtig, weil wir sichergehen wollen, dass wir keine administrativen oder juristischen Probleme verursachen.“
 
Fortschritt: In der Vergangenheit hat die UCI erlebt, dass Vorwürfe gegen Fahrer oft fallen gelassen wurden, wenn der Fall den nationalen Verbänden zur Entscheidung überlassen wurde. Der berühmteste war Alberto Contadors Clenbuterol-Fall. Cookson zufolge sollen „fünf oder sechs“ unabhängige Schiedsmänner in dem Gremium sitzen, das im Januar 2015 seine Tätigkeit aufnehmen soll. Nach der neuen Regelung werden die Fahrer vor dem Gericht angehört und können sich, wenn sie das Urteil nicht akzeptieren, an den CAS wenden. Cookson bestritt, dass der UCI Gegenwind von den nationalen Verbänden entgegenbläst, die um ihren Einfluss fürchten. Cookson kündigte die Einrichtung des Tribunals an, nachdem drei Tage zuvor das Tschechische Olympische Komitee ein Verfahren gegen den Saxo-Tinkoff-Fahrer Roman Kreuziger wegen Auffälligkeiten in seinem biologischen Pass eingestellt hatte. Cookson versicherte jedoch, dass die Bildung des Schiedsgerichts „seit Monaten, wenn nicht seit Jahren“ im Gespräch gewesen und auf breite Zustimmung gestoßen sei. Anfang 2014 kündigte Cookson die Bildung der „Unabhängigen Radsport-Reformkommission“ (CIRC) an, die zwölf Monate Zeit haben würde, um die historischen Verfehlungen des Radsports der letzten 25 Jahre zu untersuchen. Insbesondere sollte sie feststellen, ob die UCI Dopingbeweise gegen Lance Armstrong unter den Teppich kehrte. Der Texaner ist eine der wenigen Personen, von denen bekannt ist, dass sie vor der Kommission erschienen sind.
 
Der Umgang mit dem CIRC-Report
Cookson sagt: „Wir wollten, dass die CIRC diskret und mit äußerster Integrität zu Werke geht. Sie hat mit einer nennenswerten Anzahl von wichtigen Leuten gesprochen, die ihr einige sehr nützliche Informationen geliefert haben. Sie bewegt sich im Rahmen ihres Budgets und hält sich an die zeitlichen Vorgaben für ihren Bericht. Wirklich wichtig ist, dass wir einige Empfehlungen von dieser Kommission bekommen, was wir tun können, damit solche Probleme in Zukunft nicht mehr auftreten und unseren Sport beschädigen. Und dass sie etwas sagt zu der Frage, wer eine geeignete Person ist und wer nicht, um in Zukunft in den Sport involviert zu sein.“
 
Fortschritt: Die Reformkommission hat die meisten Befragungen abgeschlossen und schreibt nun offenbar den Bericht, der bis Ende Januar veröffentlicht werden soll. Cookson möchte, dass die CIRC in ihrem Bericht Vorschläge macht, wie der Radsport damit umgehen soll, dass Teammanager und -mitarbeiter mit Dopingvergangenheit sich im Radsport betätigen. Derweil beinhaltet der neue WADA-Code, der am 1. Januar 2015 in Kraft tritt, einen Paragrafen, der Athleten verbietet, mit Trainern, Ärzten oder Betreuern zusammenzuarbeiten, die des Dopings überführt wurden. Wie konsequent die UCI gegen die zahlreichen Teammitarbeiter vorgeht, auf die das zutrifft, wird sich mit der Zeit zeigen.



Cover Procycling Ausgabe 130

Den vollständingen Artikel finden Sie in Procycling Ausgabe 130.

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