Fab Four – Hoffnungsträger von morgen

Der deutsche Radsport befindet sich im Aufwind. Doch das liegt nicht allein an den Stars: Im Windschatten von John Degenkolb, André Greipel, Marcel Kittel und Tony Martin steht längst eine neue Fahrergeneration bereit, die das Talent besitzt, in wenigen Jahren selbst das Tempo im Peloton zu bestimmen. Procycling begleitet vier dieser jungen Deutschen durch die Saison 2017. Ein Zwischenfazit.

 

Marco Mathis
Team Katusha-Alpecin

(23 Jahre, 1. Profisaison)

Ich muss erst einmal schauen, dass ich mich entwickle und im Team etabliere. Jetzt ist alles eben mindestens eine Nummer größer, auch das komplette Training ist deutlich härter geworden“, hatte Marco Mathis Anfang des Jahres gesagt. Als frischgebackener Weltmeister im Zeitfahren der U23 war der 23-Jährige zu Beginn der Saison zum Team Katusha-Alpecin gewechselt und wurde dort direkt auf eine harte Probe gestellt: Denn mit Strade Bianche, Flèche Wallonne und Amstel Gold Race standen im Frühjahr gleich drei harte Eintagesklassiker auf dem Programm des Jungprofis. „Für mich war das schon ein harter Einstieg“, gibt Mathis selbst zu. „Ich bin bisher eher flache Rennen und auf der Bahn gefahren, deshalb waren die jeweiligen Streckenprofile nicht so meines. Aber die Rennen waren auch wichtig, um Erfahrung zu sammeln.“ Wie schwer dem Neoprofi der Start in seine erste Saison als Berufsradfahrer fiel, zeigt sich bei einem Blick auf seine Resultate: So endeten die meisten seiner Einsätze im Frühjahr mit einer Aufgabe, dem berühmten „DNF“ – did not finish. Einzig bei Nokere Koerse und dem Scheldeprijs in Flandern erreichte er das Ziel. „Ich bin definitiv nicht zufrieden mit dem ersten halben Jahr. Ich hoffe aber, dass ich in der zweiten Jahreshälfte mehr punkten kann“, zieht Mathis ein gemischtes Fazit.
 
Zeitfahren im Fokus
In der Tat war ab Mai bereits eine leichte Aufwärtstendenz zu erkennen. Rund um Köln beendete er als 14. und den Prolog der Ster ZLM Tour in den Niederlanden auf Rang 17. In seiner Paradedisziplin, dem Zeitfahren, landete er bei den Deutschen Meisterschaften Ende Juni schließlich auf dem sechsten Platz. „Das Ergebnis war ungefähr das, was ich mir im Vorfeld erwartet hatte. Dennoch weiß ich auch hier, dass ich es besser kann“, so der Katusha-Profi. Insbesondere der Vergleich mit seinem Nachwuchskollegen Maximilian Schachmann (Quick-Step Floors) gibt ihm zu denken. Der war in Chemnitz nämlich über eine Minute schneller: „Ich muss ehrlich zugeben, dass Max deutlich schneller und besser bei den Profis Fuß gefasst hat als ich.“ In der zweiten Saisonhälfte will er sich deshalb nun deutlich steigern. „In Hamburg will ich zum Beispiel gut fahren und dem Team zeigen, dass auch ich langsam angekommen bin. Ich hoffe auf jeden Fall, dass ich noch einmal ein gutes Ergebnis in diesem Jahr einfahren kann“, so Mathis. Auch die EM Anfang August [wo er Achter wurde] war ein Thema für ihn. „Da wollte ich auf jeden Fall gut vorbereitet sein“, sagte Mathis vor dem Start.

 
Maximilian Schachmann
Quick-Step Floors

(23 Jahre, 1. Profisaison)


Geht es nach den reinen Resultaten, ist Maximilian Schachmann der Senkrechtstarter im Feld unserer Nachwuchshoffnungen. Als Vizeweltmeister der U23 im Zeitfahren in die Saison gegangen, konnte er sich von Beginn an im Profipeloton etablieren – und brauchte sich dabei noch nicht einmal vor der großen teaminternen Konkurrenz bei Quick-Step Floors zu verstecken. „Ich hatte ein gutes Rennprogramm und konnte mich mit der Weltspitze des Radsports messen. Das gelang mir bisher wirklich gut und ich hatte einige schöne Highlights“, ist Schachmann entsprechend zufrieden mit seinem Debüt. Bereits Anfang März ließ der 23-Jährige aus Berlin aufhorchen, als er beim belgischen Halbklassiker Le Samyn Zehnter wurde. Es folgten ein vierter Platz beim Prolog der Tour de Romandie, ein sechster Rang beim Zeitfahren der Kalifornien-Rundfahrt und der vierte Gesamtrang bei der Ster ZLM Tour – Schachmann schaffte es, von Beginn an ein Leistungsträger seiner Mannschaft zu sein. „Besonders schön waren die Tage im weißen Trikot bei der Tour de Romandie. Auch die Zeitfahren, die ich diese Saison gefahren bin, waren sehr zufriedenstellend für mich. Der vierte Platz im Prolog der Tour de Romandie hat mich dabei wirklich selbst überrascht, da mir solch kurze Prologdistanzen bislang nicht so zusagten“, resümiert er seine bisherigen Auftritte.

 
Chance bei der Vuelta?
Nichtsdestotrotz sind dem ehrgeizigen Jungprofi allerdings auch einige Dinge aufgefallen, an denen er noch arbeiten muss, um es weiter nach oben zu schaffen. „In den Sprintzügen fehlt mir beispielsweise einfach noch die Routine. Diese Situation ist neu für mich und ich muss da erst noch richtig reinwachsen – das braucht etwas Zeit, learning by doing eben.“ Zeit, die ihm sein Team geben wird. Bei Quick-Step Floors ist man schließlich hochzufrieden mit dem Einstand des deutschen Youngsters. Nach seinem Glanzdebüt darf Schachmann in der zweiten Saisonhälfte nicht umsonst sogar von seinem Grand-Tour-Debüt bei der Vuelta träumen. „Mein Rennprogramm für die nächsten Monate nimmt gerade erst Form an, ist aber noch nicht zu 100 Prozent bestätigt“, will er noch nicht zu viel verraten. „Als größtes Ziel kann ich trotzdem schon die Weltmeisterschaft im Einzelzeitfahren nennen. Und das ein oder andere Ergebnis bei der Vorbereitung daraufhin wäre natürlich auch schön.“
 
 
Pascal Ackermann
Bora–hansgrohe

(23 Jahre, 1. Profisaison)

 

Reinschnuppern, lernen und sich etablieren.“ Von dieser Zurückhaltung vor Saisonbeginn war bei Pascal Ackermann in der ersten Saisonhälfte wenig zu spüren. Von Beginn an zeigte der Jungprofi aus den Reihen von Bora–hansgrohe, dass man ihn zu Recht von der U23 direkt in die WorldTour geholt hat. Bei den Drei Tagen von De Panne sprintete er im Finale der zweiten Etappe auf Rang vier, wenige Tage später landete das endschnelle Talent beim Scheldeprijs im Kreise der ganz Großen auf Rang fünf. „Ich hatte einige Topplatzierungen in Sprints. Auch bei der Dauphiné im Juni habe ich gesehen, dass ich dort gewinnen kann, wenn alles zu 100 Prozent passt. Das gibt mir schon ein gutes Gefühl“, freut sich der 23-Jährige entsprechend. Besonders stolz ist Ackermann allerdings auf den Gewinn des Sprinttrikots bei der Tour of the Alps. Bei der Rundfahrt in Norditalien Ende April hatte sich der aus Kandel kommende Nachwuchsfahrer auf die Zwischensprints konzentriert und am Ende die Konkurrenz hinter sich gelassen. „Dass ich bei so einer schweren Rundfahrt ein Trikot gewinnen kann, hätte ich nicht gedacht – definitiv mein Highlight bisher.“
 
Kommt bald der erste Sieg?
Auch insgesamt ist Ackermann mit seinem Einstand im Profigeschäft zufrieden. „Eigentlich ist es bisher besser gelaufen als erwartet. Ich denke, ich habe mich als Rennfahrer gut weiterentwickelt. Die harten Rennen muss man zwar erst verkraften, aber dann hebt einen das schon auf ein neues Niveau“, lautet sein Zwischenfazit. Potenzial sieht er vor allem „noch in den Bergen. Auch als Sprinter musst du harte Bergetappen überstehen – das gehört dazu. Und je besser man über die Berge kommt, desto mehr Kraft spart man für die Sprintetappen.“ Das große Ziel für die restliche Saison: der erste Sieg als Berufsradfahrer. „Ich habe dieses Jahr noch einige Einsätze in der WorldTour, zum Beispiel in Hamburg. Generell wäre es toll, in diesem Jahr noch einen Sieg zu holen – das wäre ein ganz großer Traum von mir“, hofft Ackermann. Ginge es nach ihm, würde das am besten auf deutschem Boden passieren. „Für den Münsterland Giro habe ich mir zum Beispiel einiges vorgenommen“, lacht er. Es wäre der erfolgreiche Abschluss einer tollen Debütsaison, die eigentlich im Zeichen von „reinschnuppern, lernen und sich etablieren“ stand.

 


 
Max Walscheid
Team Sunweb

(24 Jahre, 2. Profisaison)

 

Max Walscheid ist ein junger Sprinter, dem viele Experten ein außergewöhnliches Talent bescheinigen. Seitdem er im vergangenen Jahr in das Lager der Berufsradfahrer wechselte, ist der Neuwieder allerdings direkt mit den schwierigsten Prüfungen konfrontiert, die ein Berufsradfahrer in seiner Karriere bewältigen muss: gesundheitliche Sorgen. 2016 war Walscheid Teil der Trainingsgruppe des Teams Giant-Alpecin, bei dem sechs Profis von einer Geisterfahrerin erfasst wurden. Nach dem Unfall fand er erst im Herbst zu alter Form zurück, um dann in diesem Jahr endlich richtig durchzustarten. „Eigentlich lief über den Winter alles perfekt und meine Werte waren so gut wie noch nie – bis mich im Februar dann eine Virusgrippe erwischt hat“, erzählt er. Und auch im Folgenden war es das Pech, das den 24-Jährigen ausbremste. „Ich kam dann ganz gut zurück, bis ich bei der Katalonien-Rundfahrt gestürzt bin. Erst seit Mai läuft es wieder besser“, so Walscheid. Nach dem holprigen Saisonstart ließ Walscheid in der Tat sein Talent im Verlaufe dieses Jahres bereits mehrfach aufblitzen. Insbesondere bei der Ster ZLM Tour in den Niederlanden deutete er mit einem zweiten und einem fünften Platz in den Sprints an, wozu er in der Lage sein kann – in Sachen Konkurrenz hatte er schließlich keine geringeren als André Greipel und Dylan Groenewegen. „Diese Resultate geben mir natürlich moralischen Aufwind. Ich würde sagen, dass die ZLM Tour das Frühjahr wieder ein bisschen wettgemacht hat“, sagt er.
 
Hoffnung auf den Europasieg
Damit spielt Walscheid auch auf seinen Auftritt beim Scheldeprijs Vlaanderen an. Beim 1.HC-Klassiker war er als Sprintkapitän seiner Mannschaft gesetzt – doch ein Sturz kurz vor dem Ziel kostete ihn alle Chancen. „Für mich war das eigentlich ein richtiges Highlight. Ich war erstmals von der Mannschaft gesetzt, entsprechend enttäuscht war ich, als es nicht geklappt hat. Ich hoffe nun wirklich, dass mein Pech für dieses Jahr aufgebraucht ist“, trauert Walscheid der vergebenen Chance auf ein Topplatzierung immer noch hinterher. Für die restliche Saison hofft er nun, dass „wieder mehr Konstanz Einzug hält“. Nicht umsonst hat er sich besonders für den Herbst hohe Ziele gesteckt. „Mein Ziel für 2017 ist nach wie vor ein Sieg in Europa“, sagt er und spekuliert dabei insbesondere auf den Münsterland Giro und Paris–Tours Anfang Oktober. „Wenn ich da so weitermachen könnte wie bei der Ster ZLM Tour, dann wäre das in jedem Fall sehr gut“, hofft er.



Cover Procycling Ausgabe 163

Den vollständingen Artikel finden Sie in Procycling Ausgabe 163.

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