Wunderkind – Tadej Pogačar

Zwei Jahre sind fast vergangen, seit sich eine schmale und durchnässte Figur im weiß-rot-grünen Trikot von UAE Emirates durch Klumpen knisternder Hagelkörner aus dem Nachmittagsgewitter in den Bergen von Andorra ihren Weg zu ihrem ersten Grand-Tour-Etappensieg bahnte. Die erste Woche der Vuelta a España 2019 war ruhig gewesen für Tadej Pogaar, aber auf einer intensiven Etappe über kurze, aber gebirgige 100 Kilometer durch das Fürstentum in den Pyrenäen drehte der junge Slowene auf. Gestandene Klassementfahrer wie Primož Rogli und Miguel Ángel López waren in den heftigen Regen- und Hagelschauern, die während der einstündigen 25-Kilometer-Kletterpartie nach Cortal d’Encamp niedergegangen waren, schwer gestürzt, und ein anderer vielversprechender Jungprofi, der Spanier Marc Soler, hatte einen sehr öffentlichen Wutanfall bekommen, als er angewiesen wurde, auf den Movistar-Kapitän Alejandro Valverde zu warten. Aber da sein Teamkollege Fabio Aru nachließ, hatte Pogaar in der UAE-­Hierarchie niemanden über sich, um den er sich kümmern musste, und nichts zu verlieren. So löste er sich zwei Kilometer vor dem Ziel aus einer kleinen Gruppe von Favoriten und fuhr zu einem spektakulären Solosieg auf den eisigen, regennassen Straßen in Andorra. Er war, nebenbei bemerkt, erst 20 Jahre alt, der jüngste Fahrer in der Vuelta jenes Jahres.

„Er hat meine Anweisungen ignoriert“, sagt UAE-Teamchef Joxean Fernández Matxin zu Procycling. „Ich hatte ihn aufgefordert zu warten, bis die Gruppen mit Valverde und Nairo Quintana zusammenkamen, um den wahrscheinlichen Moment des Zögerns, wenn die Gruppen verschmolzen, optimal zu nutzen. Aber stattdessen timte er es noch besser und attackierte ein paar Sekunden, bevor sie sich vereinigten, sodass er sie auf dem falschen Fuß erwischte. 

Es sind Einstellungen und Aktionen wie diese, die mir bestätigt haben, wie viel natürliche Klasse er als Fahrer hat. Du kannst ihm sagen, was er machen soll, aber er weiß es sowieso – und besser. Er denkt, bewegt sich und agiert wie ein Sieger.“ 

Der bitterkalte Tag in Andorra brachte Pogaar auch sein bis dato größtes Publikum für seinen üblichen Jubelstil: die Arme im Triumph leicht nach vorn gestreckt und geöffnet, die Faust halb geballt und die Augen aufgerissen, als könnte er nicht glauben, was er geschafft hat. 

Und vor allem unterstrich Pogaar bei der Vuelta 2019, bei der er sich zwei weitere Etappensiege und den dritten Gesamtplatz in Madrid sicherte, seine Fähigkeit, nahtlos von einem Ziel zum nächsten überzugehen – ohne Straucheln oder Zögern. Seine Siege haben nicht nur einen bestimmten Stil, sie haben auch Substanz. 


Cover Procycling Ausgabe 209

Den vollständingen Artikel finden Sie in Procycling Ausgabe 209.

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